Bestellungsänderungsvarianten bei Werkverträgen nach SIA-Norm 118
Nach der SIA-Norm 118 werden zwei Fälle von Bestellungsänderungen unterschieden:
20 %-Klausel (Mehr- und Mindermengen von über 20 %)
Im Einheitspreisvertrag nicht vorgesehene Leistungen
20 % Klausel
Grundsätzliches
Grundlage
Art. 86 SIA-Norm 118
Prinzip
Es gilt der vereinbarte Einheitspreis nur bis zu einer Mehr- oder Mindermenge von 20 % gegenüber der im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Menge als fest und unabänderlich
Bei Bestellungsänderungen mit Mehr- oder Mindermengen von mehr als 20 % hat jede Partei das Recht auf Neufestsetzung des Einheitspreises, auf Basis der ursprünglichen Kostengrundlage (Nachtragspreis)
Ausgangslage
Streit betreffend Preisänderung
Beweislast für die Anspruchsgrundlage der Preisänderung
Diejenige Partei, die sich darauf beruft
Unternehmer
bei Beanspruchung einer Einheitspreiserhöhung (Hauptfall)
Bauherr
bei Mehrmengen von mehr als 20 %
bei besonderer Baustelleneinrichtungs-Entschädigung
bei Einheitspreisreduktion
Im Einheitspreisvertrag nicht vorgesehene Leistungen
Grundsätzliches
Grundlage
Art. 87 SIA-Norm 118
Prinzip
Bewirkt eine Bestellungsänderung, dass nicht vorgesehene Leistungen auszuführen oder vorgesehene Leistungen unter anderen Voraussetzungen auszuführen sind, hat jede Partei das Recht auf Vereinbarung eines Nachtragspreises
unter möglichster Anlehnung an vertraglich vereinbarte Einheitspreise (Art. 87 Abs. 2 SIA-Norm 118) oder
auf Basis der ursprünglichen Kostengrundlage (Art. 87 Abs. 3 SIA-Norm 118)
Im Nichteinigungsfall kann die Bauleitung die Ausführung in Regie anordnen und der Unternehmer hat Anspruch auf Vergütung seines Aufwandes (Art. 87 Abs. 4 SIA-Norm 118 / OR 374)
Ausgangslage
Streit betreffend Vergütung der Arbeiten aus einer Bestellungsänderung
Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen der Bestellungsänderung (Ausführung vertraglich nicht vorgesehener Leistungen, geänderte Ausführungsvoraussetzungen, fehlende Nachtragspreis-Einigung, Umfang und Notwendigkeit der erledigten Arbeiten)
Unternehmer
Mengenabweichung
Grundsätzliches
Keine Regelung der Mengenabweichung in SIA-Norm 118
„Voraussichtliche Mengen“ im Leistungsverzeichnis bewirken keine verbindliche Umfangfestlegung
Ungenauigkeit der Mengenangabe bewirkt keine Bestellungsänderung
Bestellungsregel-Änderungen sind daher nicht anwendbar
Lösungsvarianten
Vertragsergänzung nach dem hypothetischen Parteiwillen
Einheitspreis-Anpassung nach OR 373 Abs. 2 / Art. 59 Abs. 1 SIA-Norm 118
Ist die Mengenangabe-Unrichtigkeit auf eine Absicht oder Fahrlässigkeit des Bauherrn oder seiner Hilfsperson (Architekt (Planer)) zurückzuführen, hat der Unternehmer Anspruch auf Mehrvergütung nach Massgabe von Art. 86 f. SIA-Norm 118, d.h. nach den Regeln über die Bestellungsänderung (Anwendung der 20 %-Klausel oder bei Mengenabweichung von mehr als 20 % Anwendung der Regeln über nicht vorhergesehene Leistungen)
siehe „Mehr- oder Mindermengen wegen Bestellungsänderung“, hievor
Ausgangslage
Streit über Mehrkosten-Vergütung
Beweislast für Mehr- und Mindermengen
Unternehmer
Pauschal- oder Globalpreisvertrag
Mehraufwand wegen Bestellungsänderung
Grundsätzliches
Durch den Pauschalpreis oder den Globalpreis wird nur die Vergütung und nicht die Werkleistung erfasst
Kein Anspruch auf Mehrmengenvergütung besteht bei der schlichten Mengenabweichung (ohne Bestellungsänderung)
Der Pauschal- und Globalpreis ist eben – vorbehältlich Bestellungsänderung und Preisanpassung nach OR 373 Abs. 2 – von den tatsächlichen Aufwendungen und Mengen unabhängig (vgl. OR 373 Abs. 1 / Art. 58 Abs. 1 SIA-Norm 118)
Berücksichtigung des Werts der nicht ausgeführten Leistung, der ihrem Anteil an der Preispauschale für die Gesamtleistung entspricht
SIA-Werkvertrag
Der Nachtragspreis wird auf Basis der vertraglichen Kostengrundlagen ermittelt und im Falle der Nichteinigung nach Art. 87 SIA-Norm 118 vorgegangen
Abgrenzung Vertrags- und Nachtragsleistungen
Der Abgrenzung von vertraglichen Werkleistungen und solchen aus der Bestellungsänderung ist bei der Behauptung und Substantiierung besondere Beachtung zu schenken
Ausgangslage
Mehrvergütungs-Streit
Beweislast dafür, dass eine auf einer Bestellungsänderung basierende, separat zu vergütende Leistung gegeben ist und für den damit zusammenhängenden notwendigen Aufwand
Unternehmer
Preiserhöhung nach OR 373 Abs. 2
Arten von Preiserhöhungsvoraussetzungen
Bei den Arten von Anspruchsvoraussetzungen für Preiserhöhungen muss differenziert werden in:
Positive Anspruchsvoraussetzungen
Negative Anspruchsvoraussetzungen
Positive Anspruchsvoraussetzungen
Grundsätzliches
Ausnahmsweise dürfen auch Pauschal- und Globalpreise erhöht werden, nämlich unter folgenden Voraussetzungen
Nicht vorhersehbare oder nach Auffassung der Parteien ausgeschlossene Umstände
Übermässige Ausführungserschwernisse, die zu einem Missverhältnis von Unternehmer-Aufwand und Pauschal- oder Globalpreis führt
Beweislast für Anspruchsgrundlagen (effektive Erstellungskosten, ohne Gewinn / Missverhältnis-Berechnung)
Unternehmer
Negative Anspruchsvoraussetzungen
Grundsätzliches
Folgende negative Anspruchsvoraussetzungen schliessen einen Preiserhöhungsanspruch des Unternehmers aus:
Ausserordentliche Umstände u/o übermässige Ausführungserschwernisse, die der Unternehmer oder seine Hilfspersonen zu vertreten haben
Ausserordentliche Umstände, die durch den selbst verschuldeten Verzug des Unternehmers entstanden sind
Unterlassene Anzeige des Unternehmers an den Bauherrn hinsichtlich der a.o. Umstände und des offensichtlichen Missverhältnisses von Aufwand und Festpreis sowie ohne Mitteilung, dass er eine Preisanpassung verlange, unter vorbehaltsloser Werkvollendung
Nachtragspreis-Einigung: Anwendbarkeit von Art. 87 SIA-Norm 118
Fehlende Nachtragspreis-Einigung: Anwendbarkeit der Aufwandvergütung nach OR 374
Ausgangslage
Streit betreffend Mehrkostenüberwälzung auf den Bauherrn
Beweislast
OR-Werkvertrag
Beweislast für erforderlichen Mehraufwand
Unternehmer
SIA-Werkvertrag
Beweislast für erforderlichen Mehraufwand und Nichteinigung über den Nachtragspreis
Verschulden des Bauherrn an der Unrichtigkeit der kostenrelevanten Angaben
Bauherr (Exkulpationsbeweis)
Teuerungsbedingte Mehr- oder Mindervergütung
Ausgangslage (betrifft Einheitspreis- und Pauschalpreisvertrag)
Grundlage
Art. 64 – 82 SIA-Norm 118
Gegenstand
Teuerungsbedingte Mehr- oder Mindervergütung
Betroffene Positionen
Lohnkostenansätze
Materialpreise
Transportpreise
Baustelleninstallationskosten
Umsatzabgaben
Beweislast für die Änderung der Kostenansätze und die betroffenen Faktoren in der Teuerungsabrechnung (Mengen und Index)
Unternehmer
Beweislast für eine dadurch entstehende Mindervergütung
Unternehmer (Praxis, aus Billigkeitsgründen)
Beweislast für Mengennachweis in der Teuerungsabrechnung
Unternehmer
Beweislast bei Vorliegen beidseitig anerkannter Ausmassblätter
Richtigkeitsvermutung
Weiterführende Literatur
BÜHLER ALFRED, Von der Beweislast im Bauprozess, in: Aktuelle Probleme des privaten und öffentlichen Baurechts, Hrsg. KOLLER ALFRED, St. Gallen 1994, S. 314 ff.